P.-W. Scheele: Als Journalist beim Konzil

Cover
Titel
Als Journalist beim Konzil. Erfahrungen und Erkenntnisse in der 3. Session


Autor(en)
Scheele, Paul-Werner
Erschienen
Würzburg 2010: Echter Verlag
Anzahl Seiten
175 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
David Neuhold

Der Autor des vorliegenden Bandes verfasste 1964 für die deutsche Wochenzeitung Echo der Zeit Berichte aus Rom, die die 3. Konzilssession ultra montes anschaulich und greifbar machen sollte. Der damalige Konzilsjournalist und nachmalige Bischof von Würzburg (1979–2003) versammelt nunmehr seine damaligen 11 kurzen Berichte in diesem ansprechend layoutierten Band des Echter-Verlags.

Die 3. Session des letzten Konzils der katholischen Kirche war eine enorme Kraftanstrengung, die 8 dicken dazugehörigen Protokoll- und Dokumentationsbände der Acta Synodalia Sacrosancti Concilii Vaticani II legen davon beredtes Zeugnis ab. Scheele bot nicht nur den Lesern von damals – also vor allmählich einem halben Jahrhundert – ein stringentes, nachvollziehbares Bild der Ereignisse, sondern tut es auch noch heute. Die Eigendynamik der Versammlung wird z.B. allein daran ersichtlich, dass man eigentlich nicht wusste, wann das Konzil zum Abschluss kommen werde: An einer Stelle wird sogar eine mögliche mehrjährige Pause zugunsten der schwierigen Kommissionsarbeit als Möglichkeit angedeutet (89). Scheeles Haltung zu den Abläufen scheint ausgewogen, ist durchwegs ökumenisch inspiriert, dennoch kaum euphorisch, manchmal auch klagend, wie wenig die Symbolik der Kirche zu dechiffrieren verstanden wird (32/33). Alles in allem aber steht der Autor den Ereignissen und Veränderungen sehr wohlwollend und positiv gegenüber, interessant sind m.E. aus heutiger historischer Sicht auch die vielfältigen Bezugnahmen auf die Rednen innerhalb der Generalkongregationen des Konzils als ipsissimas voces dieser weltkirchlichen Synode.

Deutlich werden in vielen der geschilderten Zusammenhänge die bekannten Polarisierungen der Kirchenversammlung, die unterschiedlichen Interessens- und Ausgangslagen der 2850 Konzilsväter, aber auch der Umgang mit ihnen, ihre «Überwindung»: Ein interessantes Beispiel, auf das Scheele im Wochen-Beitrag «Hoffnung und Angst unserer Zeit» verweist, sei angedeutet (110/111): Soeben wurde das «Schema 13» am Konzil verhandelt, das spätere Dokument «Gaudium es spes», die so genannte Pastoralkonstitution. Hier gingen die konziliaren Anschauungen auseinander, den einen gingen die «Annäherungen an die Welt» zu weit, den anderen war die sich abzeichnende Haltung noch immer zu wenig mutig. Der englische Primas John Carmel Heenan etwa kritisierte die Konzilsperiti – also die beratenden Theologen – in ihrem fehlenden Realitätsbezug aus ihrer klösterlichen Erziehung resultierend mitsamt ihrer Anmerkungsmentalität plus je eigenem Unfehlbarkeitsanspruch. Tags darauf «konterte» ein «Mönch», der Abtpräses von Beuron Benedikt Reetz in einer wunderbar humorvollen Weise. Scheele kommentiert in Bezug auf diesen Vorfall, den er zuvor geschildert hat, mit deutlicher Bewunderung: «Es muß vermerkt werden, daß Erzbischof Heenan inzwischen seinen Kontrahenten zum Essen eingeladen hat.» (111) So löst(e) man Probleme in der katholischen Welt! Insgesamt wäre es u.a. für die historische Konzilsforschung vielleicht interessant, dem Topos des Miteinander-Essens bzw. der Essens-Einladungen einen Schwerpunkt zu setzen.

Die ökumenische Orientierung des Konzilsjournalisten wurde schon angesprochen: Gleich zu Beginn vermeint Scheele, dass wohl auch die Reformatoren an ein solches Konzil der unzweifelhaften Freiheit gereist wären, um ihre Standpunkte vorzutragen; Oscar Cullmann und Karl Barth werden rezipiert, aber auch der Blick in den Osten bleibt präsent, im Speziellen aufgrund der Konzilserfahrung selbst. Zur «östlichen Theologie» des Christentums schreibt Scheele: «Ohne diese wird das abendländische theoretische und missionarische Bemühen einseitig und nur beschränkt fruchtbar bleiben.» (93). Viele andere thematische Schwerpunkte wären an dieser Stelle noch auszuführen, aber die interessierte Leserin sei dazu selbst angehalten! Der Band ist ja nicht allzu umfangreich.

Ein Beitrag von Karl Hillenbrand rundet die dokumentierte und versammelte Berichterstattung Scheeles ab und ordnet sie rückblickend ein: Weder Hillenbrand noch Scheele sehen im Konzil einen «Betriebsunfall der Kirchengeschichte» (Marcel Lefèbvre, 170), vielmehr konstatiert Hillenbrand: «Ohne das Konzil hätte die Kirche nicht die geeigneten Mittel gehabt, diesen Umbrüchen [der geistigen Grosswetterlage der Zeit, DN] zu begegnen. Ein bloßes Insistieren auf Tradition und Disziplin wäre jedenfalls nicht das geeignete Instrument gewesen.» (171/172).

So schreitet die Rezeption wie auch die Nicht-Rezeption des Konzils voran. Es selbst wird zunehmend zu einem Ereignis der Geschichte und Stoff der Historiografie. Allen denen, die sich für diese Kirchenversammlung interessieren bzw. möglicherweise auch engagieren, sei der hier angezeigte Band wärmstens empfohlen.

Zitierweise:
David Neuhold: Rezension zu: Paul-Werner Scheele, Als Journalist beim Konzil. Erfahrungen und Erkenntnisse in der 3. Session. Mit einem Beitrag von Karl Hillenbrand, Würzburg, Echter, 2010. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Religions- und Kulturgeschichte, Vol. 105, 2011, S. 574-575.

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